DBL-FACE.gif (3052 Byte)Reisebericht  I

Meine 1. Reise nach Oberschlesien vom 13. - 23. Mai 1998


Oberschlesien - das mir unbekannte Land meiner Ahnen

Gestartet bin ich am 13. Mai, morgens gegen 5 Uhr per IC-Zug in Gütersloh um mich mit Heribert in Dresden zu treffen. Von dort wollen wir gemeinsam per Auto nach Polen starten. Meine erste Begegnung mit dem polnischen Zoll verlief reibungslos. Bereits nach 2 Minuten hatten Heribert und ich die Grenze passiert. Nun hieß es erst einmal unsere DM in polnische Zloty tauschen. An der Grenze problemlos möglich. Nun ging es aber wirklich los - oder? Nein, erst noch ein Tankstop! Aber jetzt rollt der Wagen in Richtung Oppeln. Die Autobahn von Breslau in Richtung Oppeln ist zwar 2-spurig in beide Richtungen ausgebaut (meistens) aber die Qualität der Fahrbahn ist miserabel. Auf dem rechten Fahrstreifen merke ich meine Wirbelsäule bald nicht mehr - es holpert und holpert und holpert. Wann immer möglich benutzt Heribert die linke Fahrspur - hier ist die Fahrbahn wesentlich ebener. Die Kilometer fliegen vorbei ebenso wie die schöne Schlesische Landschaft. Es wird Mittag, eine Rast am Wegesrand ist angesagt - Beine vertreten - etwas essen - weiter geht die Reise. Kilometer um Kilometer nähern wir uns unserem Ziel - Widów, dem Heimatort von Johann Karl Thomalla. Aber unser Ziel sollten wir nicht ohne einen kleinen Zwischenfall erreichen - Ein Reifen platzt! Wir befinden uns auf einer Landstraße. Zufahrt zu einem kleinen Platz. Wir halten dort an, entfernen den defekten Reifen nebst Felge und befestigen das Notrad. Weiter geht die Reise. Gegen Abend, ich meine gegen 18:00 Uhr erreichen wir unser Ziel. Wir haben Widów erreicht. Über die mit Bäumen gesäumte Dorfstraße gelangen wir zu dem Anwesen von Johann Karl. Wir werden bereits erwartet. Wir werden herzlich willkommen geheißen. Kein Wunder denn Heribert ist nicht das erstemal hier zu Besuch.

Wir bekommen unser Zimmer gezeigt - frisch machen ist angesagt - derweil richtet die Frau des Hauses das Abendessen. Es wird ein langer Abend. Es gibt viel zu erzählen. Die Freude des Wiedersehens ist groß. Glücklicher Weise sprechen Johann Karl und seine Gattin Adela ein perfektes deutsch zwar mit einem schlesischen Akzent aber das stört mich nicht. Schade, der Sohn des Hauses spricht leider nur polnisch aber per Dolmetscher bzw. Zeichensprache können auch wir zwei uns verständlich machen.

Am nächsten Tag ist die Suche nach einem neuen Reifen angesagt. Fündig werden wir nach einer langen Suche endlich in Gleiwitz. Während Heribert etwas polnisch spricht, verstehe ich nur Bahnhof. Ein Polizist macht uns klar, das wir an dem Ort, wo wir in unserem Auto auf Johann Karl warten, nicht stehen bleiben können. In der nächsten Seitenstraße finden wir sofort einen neuen Parkplatz. Wir warten auf Johann Karl, er ist auf der suche nach einem Reifen-Service und wird fündig. Diese Aktion hat uns sicherlich einen wertvollen halben Tag gekostet.

In den nächsten Tagen unternehmen wir Fahrten in die Umgegend: Ponischowitz, Slupsko, Heydebreck, Tost, Peiskretscham, Zawadzki, Koschmieder, Koselwitz, Landsberg um nur einige Orte zu nennen.

Während die ganze Tour für mich einen ersten Kontakt zu unseren polnischen Verwandten darstellt hat Heribert konkrete Vorhaben geplant. Es werden diverse Pfarreien besucht, mit dem Ziel Einsicht in die Kirchenbücher nehmen zu wollen. In allen Fällen standen die Pfarrer unserem Wunsch positiv gegenüber. Sie halfen bei der Suche und gaben uns die gewünschten Informationen. Sicherlich war die Anwesenheit von Johann Karl hier sehr hilfreich. Allein durch seine Funktion als Dolmetscher kamen Missverständnisse erst gar nicht auf. Als Dankeschön bekamen die Pfarrer immer eine Spende für ihre Kirche - kleine Gaben erhalten die Freundschaft und öffnen Türen. Was mir persönlich sehr imponiert hat ist die Gastfreundschaft, die uns von allen Leuten entgegengebracht wurde, auch wenn wir für diese Leute absolute Fremde waren. Erst ein kleiner Imbiss (Kaffe, Kuchen ....) dann das Gespräch. Diese Herzlichkeit mit der wir von den Leuten in Polen empfangen wurden war mir bisher in diesem Maße völlig fremd. In unserer schnelllebigen, von Hetze bestimmten Zeit hier in Deutschland war ich diese nicht mehr gewohnt. Es tut gut, auch mal wieder die Hetze und den Stress zu vergessen.

Ein Highlight: der Pfarrer in Landsberg, wir kommen wie immer unangemeldet, erkennt Heribert und Johann Karl wieder. Wir werden herein gebeten und dürfen uns in seinem Arbeitszimmer mit den alten Kirchenbüchern befassen. Wir sammeln viele neue Informationen und verlassen Landsberg wieder nach ca. 3 Stunden Forschungsarbeit im Büro des Landsberger Pfarrers. Bereits auf der Fahrt nach Landsberg haben wir Koslowitz besucht, das Dorf unserer Vorvorderen. Unsere Ahnen lebten hier vermutlich bereits vor 1700. Direkt kann ich Simon Thomala, 1734, durch den Geburtseintrag seine Sohnes Gregor nachweisen. Auf Grund der Altersangabe in seinem Sterbeeintrag habe ich für ihn als Geburtsjahr 1706 errechnet. Leider fangen die Landsberger Kirchenbücher erst 1710 an. Die früheren Bücher sind vermutlich beim Brand der Landsberger Pfarrkirche im Jahre 1696 verbrannt. Andere Quellen besagen, das man in Landsberg erst ab 1710/12 überhaupt mit den Aufzeichnungen begonnen hat.

Die Zeit in Oberschlesien haben wir nicht nur mit Besuchen in Pfarrämtern verbracht sondern auch viele Kontakte aufgefrischt. So besuchten wir in Slupsko den Bruder von Johann  Karl, Josef Thomalla. Josef zeigte uns Slupsko mit samt den Plätzen an denen unsere Vorfahren gelebt und gewirkt haben: Das Dominium, heute eine heruntergekommene Kolchose, den total verwilderten Schlosspark wo Jacob Thomala als Fasanenmeister gewirkt hat, den Platz an dem Jacob Thomala zunächst in einem Forsthaus nahe einer Ziegelei gelebt hat, das Haus in dem die Thomalas danach in Slupsko lebten. Während von der Ziegelei und dem Forsthaus keine Ruinen mehr zu sehen sind konnte man im Schlossgarten noch einige Fragmente von alten Gebäuden sehen und sich so die Pracht dieses Gartens durchaus vorstellen, die alten Bäume gaben den Umriss des Schlossgartens noch deutlich wieder. Später am Tag waren wir bei Josef zum Essen eingeladen - es war wieder reichlich und gut.

Ein weiteres Highlight war für mich die Fahrt zu Irene Jablonska nach Koschmieder. Wir fuhren über Slupsko, Tost und Zawadzki nach Koschmieder. Zwischen Zawadzki und Koschmieder ging die Fahrt immer gerade aus, keine Kurve, Wald rechts und links der Straße. Endlich erreichen wir eine kleine Ansiedlung von einigen schmucken kleinen Häusern. Wir haben das Haus von Irene erreicht. Wieder das obligatorische Zeremoniell, Kaffee und Kuchen. Irene erzählte Geschichten aus der Vergangenheit. Bei der Grenzziehung 1921 wurde die Grenze direkt neben der Straßenseite, gegenüber dem Haus als neue polnische Westgrenze festgelegt. Dieses bedeutet für die Familie von Wilhelm Thomalla (Irene ist seine Tochter), den Verlust der direkten Zufahrt auf die eigenen Felder. Von nun an musste immer ein Umweg von einigen Kilometern in Kauf genommen werden um die Felder direkt gegenüber der Haustür zu erreichen. Ein Kuriosum - aber leider Wirklichkeit.(1921)

Nach 10 Tagen in Polen ist nun für mich die Zeit des Abschieds gekommen. Am 23. Mai, Morgens fahre ich mit der Bahn in Richtung Berlin. Es ist ein Abschied, nicht für immer, von Menschen und Land, die ich unbedingt wiedersehen möchte. Mir wurde eine Gastfreundschaft zuteil, wie ich sie hier im Westen selten so erfahren habe. Ich kann nur DANKE sagen dafür, das ich diese lieben Menschen treffen durfte. DANKE sage ich aber auch allen die es ermöglicht haben, das man das Land seiner Vorfahren heute ohne große Probleme besuchen kann. Ein Land, von dessen Schönheit man sich wenn man nicht in Oberschlesien war, kein Bild machen kann. Eine Landschaft, leicht hügelig mit weiten Wäldern aber auch vielen großen und kleinen Landwirtschaftflächen.

Auch Polen hat die Zeichen der Zeit erkannt - es werden immer mehr Industrien angesiedelt. Ich hoffe nur, das die polnischen Umweltauflagen den Raubbau an der Natur verhindern können. Eine Natur, die zu schützen es gilt.



© 1998 - 2004 by Josef Thomalla