Meine 3. Reise nach Oberschlesien vom 10. - 13. August 2002
I. Thomalla Familientreffen in Ober-Schlesien
Die Vorbereitungen
Diese 3. Reise in das Land meiner Vorvaeter hat einen ganz besonderen Anlass -
Das I. Familientreffen auf Oberschlesischem Boden der Thomalla Familien die
ihren Ursprung auf Jacob Thomalla, geboren im Jahre 1819 in Koslowitz bei
Landsberg zurueck fuehren koennen.
Die Vorbereitungen begannen bereits im letzten Jahr, als ich mit Heribert Thomalla, Helmut Thomalla und Erhard Wolter in Oberschlesien war. Wir fanden dort das Gedenkkreuz wieder, das im Jahre 1921 in Gedenken an die Ermordung des Foersters Franz Thomalla aufgestellt wurde. Da sich dieses Kreuz in einem sehr unwuerdigen, verwitterten Zustand befand, beschlossen Helmut und Erhard, zusammen mit ihren Bruedern und Cousins dieses erneuern bzw. restaurieren zu lassen.
Im August diesen Jahres ist es nun so weit. Fuer den 11. August 2002 sind die Einladungen verschickt. Es sollte nicht einfach nur ein Familientreffen der allgemeinen Art sein sondern etwas Besonderes. Ein Kreuz wird auch in Ober-Schlesien nicht alle Tage aufgestellt. Einfach nur so restaurieren und wieder hinstellen, das konnte es nicht sein und schon gar nicht im glaeubigen Polen.
Bereits in der Woche vor dem Treffen sind Helmut und sein Bruder Klaus vor Ort in Polen um die letzten Kleinigkeiten zu regeln. Und das ist auch dringend erforderlich. Der Pfarrer wollte die Einsegnung des Kreuzes nicht, wie geplant um 17:00 Uhr sondern bereits um 15:00 Uhr durchfuehren. Auch musste mit dem Pfarrer noch der Text fuer die Ansprache geklaert werden. Und so war fuer die beiden doch noch reichlich zu erledigen. Die geladenen Gaeste mussten ueber die Änderung des Zeitplanes informiert werden, Mit dem Lokal, in dem das Treffen stattfinden sollte, musste ebenfalls der geaenderte Zeitplan abgesprochen werden.
Der Tag - Das´I. Thomalla Familientreffen am 11. August 2002
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Programmablauf
14:00 Uhr
Eintreffen der Familien im Hotel Tomanów in
Pietraszów
14:15 Uhr
Fahrt zur Gedenkstaette von Franz Thomalla
15:00 Uhr
Einsegnungszeremonie am Gedenkkreuz
Ansprache von Klaus Thomalla
16:00 Uhr
Beisammensein bei Kaffee und Kuchen
mit viel Zeit zum Gedankenaustausch und Kennenlernen
19:00 Uhr
Abendessen mit gemuetlichem Beisammensein
und Ausklang der Veranstaltung.
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Schon weit vor der Zeit treffen die ersten Gaeste am Hotel ein. Bis 14:00 Uhr sind alle geladenen Gaeste anwesend und die Fahrt zum Kreuz kann puenktlich beginnen. Im Konvoi geht es nun ueber Klein Lagiewnik (Hedwigsruh), vorbei an dem Gelaende der ehemaligen Foersterei Poremba, dem Forsthaus des Franz Thomalla, hinein in den Wald, in sein Revier. Nach einigen hundert Metern, ueber einen staubigen und von Schlagloechern uebersaeten Feldweg geht es dann durch den Wald, bis auf eine, Gott sei Dank, gemaehte Wiese, direkt am Kreuz gelegen.
Wir sind nicht die Ersten am Kreuz. Es sind bereits Menschen
aus der Pfarrei Klein Lagiewnik erschienen und es sollten noch viel mehr werden
Die Familie
war mit 40 Personen vertreten und aus der Parochie kommen dann noch
einmal etwa 100 - 120 Menschen dazu. Sie stroemen aus allen Richtungen herbei,
quer ueber die Weiden, entlang der Feldraine oder ueber den Feldweg. Sie kommen
zu Fuss oder per Fahrrad. Um 15:00 Uhr hat sich dann eine stattliche Zahl
Menschen am Kreuz eingefunden, auch der Pfarrer mit seinem Ministranten ist
puenktlich.
Es wird sehr feierlich - der Pfarrer haelt die ganze Zeremonie auf polnisch. Nach einer Ansprache uebergibt er das Mikrofon an Klaus Thomalla, der nun den Anwesenden berichtet, wie es ueberhaupt zu dieser Aktion kommen konnte. Am Ende seiner Ansprache erklaert er, das wir, die Thomallas, dieses Kreuz zukuenftig als Gedenkstaette fuer alle unsere Vorfahren sehen moechten, die irgendwo in der oberschlesischen Erde ihre Ruhe gefunden haben. Dieses Kreuz moege allen ein Zeichen fuer Frieden und Miteinander sein.
Nach Ende der etwa
1-stuendigen Veranstaltung
geht es dann zurueck zum Ausgangsort, zum Hotel Tomanów in
Pietraszów.
Bei Kaffee und Kuchen kommt man dann schnell ins Gespraech. Niemandem wird die
Zeit lang. Damit man sich einen Überblick ueber die verwandtschaftlichen
Verbindungen zueinander verschaffen konnte habe ich im Vorfeld eine
Nachfahrentafel des Jacob Thomalla (1819) erstellt auf der sich moeglichst jeder
wiederfinden konnte. Ich selbst nutze die Gelegenheit, meine Daten von Fehlern
zu befreien und einige aktuelle Daten neu aufzunehmen. Zeitweilig ist der Tisch
in Doppelreihen umlagert. Einige verwandtschaftlichen Verhaeltnisse mussten erst einmal
geklaert werden.
Viel zu schnell kommt die Zeit zum Abendessen. Nach dem Buefett verbleibt dann aber noch etwas Zeit um die Musik fuer ein Taenzchen zu nutzen Wie es halt immer so ist, beginnt einer sich zu verabschieden - keiner will der Erste sein - loest sich die Feier dann doch sehr schnell auf. Lediglich wir, die wir von weit her angereist waren, blieben noch einige Zeit im Saal um den Tag noch einmal gedanklich zu Verarbeiten. Als Ergebnis kommt dabei heraus: dieses war nicht die letzte Veranstaltung dieser Art.
Der Tag nach dem Familientreffen
Ich hatte meine Tante, Luise Thomalla, mit zu diesem Treffen gebracht.
Sie stammt, genau wie ihre Brueder Hubert, Rudolf und Karl, aus Heydebreck.
Fuer Luise war es der 1. Besuch in der "Heimat" nach der Flucht im Februar des
Jahres 1945.
Gerade einmal 9 Jahre alt machte sie sich zusammen mit Ihrer Mutter auf den Weg in den Westen, nur weg vom Russen. Der Vater war bereit im Jahre 1943 verstorben. Heute, am Tag nach dem Familientreffen, sollte sie erstmals wieder ihre Heimatstadt "Heydebreck" betreten. Wir fahren nicht allein. Helmut und Klaus begleiten uns. Ohne Probleme finde ich in Heydebreck die Kirche wieder (ich war 1997 bereits einmal dort).
Zunaechst ist Luise alles fremd. Selbst die Kirche, neben der
sie als Kind gewohnt hat.. Aber dann, nach einigen
Augenblicken kommen doch die Erinnerungen: die Kirche, die Schule, der Huegel auf
dem sie als Schuelerin im Winter mit ihren Mitschuelerinnen immer gekarschelt
hat. Und dann entdeckt Luise das Haus (Schulstrasse) Nr. 2. Das Haus in dem sie
mit den Eltern und ihren Bruedern bis zur Flucht gelebt hat. Auch den Steinmetz neben dem
Haus gibt es noch. Und dann der Blick diagonal ueber die Strassenkreuzung auf ein
grosses, dreistoeckiges Gebaeude, ihr
Geburtshaus.
Die Anspannung, die Luise auf der Fahrt nach Heydebreck noch einen Kloss in den Magen gelegt hat ist verschwunden. Nach eingehender Betrachtung ihres Geburtshauses faellt ihr auf, das die Eingangstuer offen steht.. Luise nutzt die Gelegenheit um einen Blick in den Hausflur zu werfen und der alten, ihr vertrauten Treppe einen Geraeuschtest zu unterziehen, den die alte Treppe auch besteht.. Sie knarrt immer noch wie damals. Nun fehlt uns nur noch das Haus in der Siedlung in der die Familie zwischenzeitlich fuer einige Zeit gewohnt hat. Es war eine Siedlung fuer kinderreiche Familien, direkt am Klodnitz-Kanal gelegen. Von Heydebreck kommend vor dem Kanal. Leider haben wir dieses Haus nicht mehr gefunden. Die Haeuser dieser Siedlung scheinen nicht mehr vorhanden zu sein. Heute stehen an der Stelle der Siedlungshaeuschen neue Haeuser.
Gegen 13:00 Uhr machen wir uns auf den Heimweg. Helmut und Klaus fahren zum Hotel um von dort aus noch einige Besuche zu absolvieren. Luise und meine beiden Kinder fahren mit mir nach Slupsko und Widów um den dortigen Verwandten einen Besuch abzustatten. Es werden nur kurze Besuche da wir uns gegen 18:00 Uhr bereits wieder am Hotel verabredet haben. Hier klingt der Abend bei einem gemuetlichen Beisammensein in kleiner Runde aus.
Die Rueckreise
Nach dem Fruehstueck kaonnt die Zeit des Abrechnens. Abschied nehmen von Helmut und Klaus - daran war noch nicht zu denken. Zunaechst wird ein letzter, gemeinsamer Besuch absolviert. Von Irene, der Cousine von Luise - beide haben sich erstmalig auf dem Familientreffen kennen gelernt - muessen wir uns noch verabschieden. Da die Zeit draengt, faellt auch dieser Besuch recht kurz aus.
Gegen 10:30 Uhr rollen dann die Raeder der Autos. Zunaechst noch im Trockenen aber spaeter, auf der Autobahn in Richtung Heimat wird es dann schnell sehr ungemuetlich. Regen peitscht gegen die Windschutzscheibe. Es wird immer heftiger. Bis zur Grenze nur Regen, Regen und nochmals Regen. Die Grenzabfertigung dauert, wie schon bei der Einreise mit fast einer Stunde recht lange. Bisher hatte ich an diesem Grenzuebergang, Goerlitz Autobahn (Ludwigsdorf) nur immer Wartezeiten von 1 - 3 Minute kennen gelernt. Als ich den deutschen Zoellner mit "Gruess Gott" begruesse bekomme ich zur Antwort: "Richtung Gruess Gott geht heute nichts mehr". Wir haben uns mit Helmut und Klaus an der ersten Raststaette auf Deutscher Seite verabredet. Nach einer kurzen gemeinsamen Rast kommt der entgueltige Abschied fuer heute. Weiter geh es im Regen. Noch 600 km bis nach Hause.
Dresden - Hochwasser - Katastrophe - es schuettet weiter wie aus Kuebeln. In den Nachrichten hoeren wir nur noch Berichte von Überschwemmungen in und um Dresden. Wir queren die Elbe. Alles steht unter Wasser. Es sieht aus als wuerden wir einen riesigen See ueberqueren.
Wir wechseln die Autobahn und fahren nun auf der A14 nach Norden. Nach wenigen km bietet sich uns in einem Flusstal ein Bild des Grauens. Haeuser stehen bis zum Giebel in den reissenden Fluten. Eine Momentaufnahme - das ganze Ausmass der Überflutungen koennen wir im Auto noch gar nicht erfassen.
Halle an der Saale - es wird zunehmend trockener
Magdeburg - die Sonne scheint.
Die letzten 300 km koennen wir entspannt in den
Abend hinein fahren.
22:00 Uhr - wir sind zuhause.
Wir haben 2 schoene und unvergessliche Tage in Oberschlesien verbracht. - der naechste Trip nach O/S kommt bestimmt.
Verl, im August 2002
© 2002 by Josef Thomalla